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'Weiter im Blues': Karl Wagners Aufsätze über Peter Handke
Karl Wagner, Germanist an der Universität Zürich, legt hier seine Handke-Arbeiten aus dreißig Jahren vor, oder er 'legt' genau genommen gar nichts 'vor', sondern seine Freunde und Kollegen haben Wagners verstreute Aufsätze eingesammelt und zum Druck befördert. Das haben sie wahrscheinlich auch deshalb getan, weil sie Handke mögen und Wagners Blick auf Handke. Über diesen Blick lässt sich sagen, dass er anfangs ein kritischer war. Im frühesten Aufsatz des Bandes, aus dem Jahr 1979, kritisiert Wagner Handkes 'Rückzug in den geschichtslosen Augenblick'. 'Schwer frustriert', wie er später bekennt, vom Siebziger-Jahre-Handke und dessen Hang zum (damals sagte man so) Eskapismus, vermisst er bei Handke die Bereitschaft zur (noch ein Wort aus jener Zeit) literarischen Intersubjektivität.
Entweder hat sich Handke seit damals geändert oder Wagner, jedenfalls bekunden Wagners spätere Aufsätze eine große Sympathie für Handke. Unkritisch sind sie deshalb nicht, vor allem wenn es um Handkes öffentliche Einlassungen geht. Einem Journalisten etwa hat Handke gesagt, journalistische Sprache bestehe aus 'vorgefertigte(n) Sätzen', 'man weiß immer schon vorher, was drin steht'. Das will Wagner so nicht gelten lassen, aber Handke hat es vielleicht so auch nie gemeint. Man kann mit ihm schwer in eine Erörterung darüber eintreten, was journalistische Sprache gegebenenfalls mehr und anderes wäre als 'vorgefertigte Sätze'. Deswegen wird Wagners Hinweis, Handkes öffentliche Äußerungen unterschritten bisweilen sein eigenes 'Reflexionsniveau', auch kaum Einfluss auf Handkes Äußerungen haben. Zwischen Handkes poetischem Zorn und der moderaten Gemütslage einer argumentativen Literaturwissenschaft ist das Gespräch manchmal erschwert.
Für Wagner ist Handke, wie es aussieht, der allerwichtigste deutschsprachige Gegenwartsautor, und dies aus mindestens zwei Gründen: Handke weist der Literatur einen Weg hinaus aus der in Konvention erstarrten Avantgarde; es ist nicht der Weg der 'Postmoderne' oder einer simplen Rückkehr zu den Rezepturen des klassischen Realismus, sondern einer, der ältere, vormoderne und vorbürgerliche Weisen des literarischen Singens und Sagens behutsam wieder aufgreift.
Der andere Grund ist ein sozusagen innerösterreichischer: Handke hat, vor allem mit von Wagner und anderen als dessen opus maximum gepriesenen Roman 'Die Wiederholung' (1986) ein 'anderes Österreich' literarisch konstruiert, eine, wie Wagner schreibt, 'ebenso filigrane wie dezidierte Alternative zu der imperialen Vergangenheit und zum nationalsozialistischen Gewaltzusammenhang'. Handkes Österreich-Phantasie bezieht sich auf einen geographischen und Erfahrungsraum, der nicht an Österreichs Grenzen endet (deshalb war man in Slowenien über Handke nicht immer froh), und sie geht von Figuren aus wie dem Partisanen, dem Kleinbauern oder der Magd. Eine andere Sozialdemokratie könnte, das deutet Wagner an, in Handke einen Verbündeten haben, aber so weit wird es wohl doch nicht kommen.
Wagner ist ein gründlicher und subtiler Leser von Handkes Büchern und liegt mit seinen Beobachtungen fast immer richtig. Ein wenig neigt er dazu (was man ihm nicht verübeln muss), Handke zu mythologisieren: er ist bei Wagner schon fast zur Legende geworden, wie ein alter fahrender Bluessänger, oder wie Handkes eigene Idole Van Morrison und Bob Dylan.
Wagner sieht Handke wie Dylan auf einer 'Never Ending Tour': der alte Zorn ist verraucht (aber nicht ganz), die wichtigen Bücher sind geschrieben und die, die noch kommen, werden das schon Geschriebene 'wiederholen' (aber noch lässiger). Aber die Tour geht weiter, mit dem einen Unterschied zu Dylan, dass wir ihn fast jede Woche live hören können, wenn wir wollen, und Handke nicht. 'Weiter im Blues' heißt Wagners Buch. Also dann. CHRISTOPH BARTMANN
KARL WAGNER: Weiter im Blues. Studien und Texte zu Peter Handke. Weidle Verlag, Bonn 2010. 312 S., 21 Euro http://www.sueddeutsche.de/a5P38p/3581352/Auf-dem-Weg-ins-andere-Oesterreich.htmlhttp://handke-magazin.blogspot.com/2010/06/handke-magazine-is-over-arching-site.html
Bloggen im Bleistiftgebiet: Eine Düsseldorfer Begegnung mit Peter Handkes treuestem Fan
Von Marc Reichwein
Eigentlich wollte man ja nie so genau wissen, ob Peter Handke
wirklich solche Anhänger hat. Aber halb unheimlich, halb faszinierend
war er dann doch, dieser Typ aus dem Roman "Mein Jahr in der
Niemandsbucht". Ein Leser, der seinem Autor nachstellt: In einer Pariser
Vorortkneipe lauert er dem Schriftsteller auf - und rückt ihm für den
ganzen Rest des Tages nicht mehr von der Pelle.
"Befremdend", so Handke, "daß der Leser, ausgenommen
für mich, für nichts Augen hatte. Meinen Sohn, nachdem ich den abgeholt
hatte, übersah er ebenso wie Leute und Räumlichkeiten der Vorstadt,
durch die er uns dann beim Einkaufen begleitete. Im Haus, wo ich ihn zum
Nachtmahl einlud, streifte er mit keinem Blick auch bloß das Feuer im
Kamin, und all die Zeit, da ich zuvor im Garten das Holz hackte, stand
er daneben und trug weiterhin aus meinen Werken vor, bis ich wünschte,
eins der Scheiter sollte ihm an den Kopf fliegen." Das tut weh. Wenn schon Handke selbst sich seine
treuesten Fans als fiese Stalker und geistige Sektenmitglied vorstellt,
was sollen dann all die anderen denken? Jene, die Handke-Leser sowieso
schon immer für eine abgefahrene, undurchsichtige, esoterische Spezies
gehalten haben? Und war es nicht Helmut Krausser, der in seinen
Tagebüchern als neues Schimpfwort vorschlug: "Du Handkeleser!" Naja, es war ja nicht immer so: Handke war bis Ende der
Siebziger richtig hip, ein echter Star des Literaturbetriebs. Dann
verschrieb er sich der Innerlichkeit. Und in den Neunzigern kam Serbien.
Heute, sagen böse Zungen, sind vor allem die Leser übrig, die ihn
wirklich so wollen. Geht echtes Handketum also nur noch unironisch? Machen wir die Probe aufs Exempel und suchen ihn auf, den
bekennenden Handke-Leser. Es ist einer, den so nur das Internet in
unsere Aufmerksamkeit spülen konnte: Gregor Keuschnig, der uns mit
seinem Blog "Begleitschreiben" seit bald fünf Jahren als
Ein-Mann-Feuilleton, Hort der Handke-Expertise und natürlich wegen
seines Namens aufgefallen ist. Allein schon dieser Nickname "Gregor
Keuschnig" bedeutet Handke-Anhängern ja ein literarisches Programm: Die
multiple Figur tritt in gleich mehreren Handke-Werken auf.
Anzeige
Erklärter Patron des Blogger-Keuschnigs ist, wie er
später verraten wird, "Keuschnig I", also der Pressereferent für die
österreichische Botschaft in Paris aus "Die Stunde der wahren
Empfindung" von 1975. "Der gefiel mir irgendwie", sagt Keuschnig (der
Blogger), und tatsächlich macht Keuschnig I einen Job, der dem heutigen
Monitoring und Watchblogging in nichts nachsteht: Er muss das
Österreichbild in den französischen Medien überwachen und hat bei Bedarf
"korrigierende Briefe" an die Zeitungen oder das Fernsehen zu
schreiben. "Keuschnigs berichtigende Briefe wurden selten beachtet",
heißt es in dem Buch. Und auch für "Begleitschreiben" kann man nicht
gerade von heftigem Traffic sprechen: 80 bis 120 Besucher am Tag - im
Vergleich zu einem Niggemeier ist das nichts. Aber ein Niggemeier bloggt
auch nicht über Handke-Briefwechsel. Verabredet sind wir jetzt aber ganz öffentlich, mitten in
Düsseldorf - heikles Handke-Pflaster seit der beispiellosen Posse um
den 2006 dann doch nicht verliehenen Heine-Preis für Handke. Wir sind so
frei und treffen uns direkt am Heine-Geburtshaus in der Bolker Straße.
Da also steht er schon, Gregor Keuschnig. Im echten Leben heißt er
Lothar Struck und trägt eine interessante Herrenhandtasche aus Leder. So
ziemlich genau das, was man bei Leuten wie Dieter Thomas Heck als
Herrenhandgelenkstasche eigentlich fürchtet, das baumelt bei ihm an
einem meterlangen Riemen leger über die Schulter. Ist das jetzt ein
Accessoire, das man beim Botschaftssekretär Keuschnig überlesen hat?
Oder gar ein tribalistisches Erkennungszeichen? Stellt die
Herrenhandtasche in der Handke-Gemeinde sozusagen das Pendant zu dem
dar, was für Judith-Hermann-Jünger die Umhängetasche aus LKW-Plane
bedeutet? Wir suchen uns ein Straßencafé in der Fußgängerzone.
Struck ist ein rheinisch-frohnaturiger Gesprächspartner, ohne auch nur
einen Hauch von Handke-Esoterik. Die hatte man aber auch gar nicht
erwartet, im Gegenteil. Wer "Begleitschreiben" kennt, weiß, dass es da
sowieso nicht nur um Handke geht, sondern auch um Politik, um
Sachbücher, um Medien. Dem bloggenden "Tagesschau"-Chefredakteur Kai
Kniffke las Struck mit seiner berechtigten Kritik an der
Kachelmann-Berichterstattung schon die Leviten. Den Kritikern an Steffen
Seiberts Wechsel vom ZDF zur Kanzlerin sagt er: "Journalisten sind
keine Meinungseunuchen." Struck hat indes niemals nur einfach eine Meinung (wie
viele Blogger), er kann und will sie auch immer begründen, verlässt sich
nie allein auf die Kraft der bloßen Pointe oder Polemik. Auch deshalb
ist er ein im besten Sinne des Wortes kritischer Mensch, ja seine
Beiträge wirken, gemessen am üblichen Standard der Blogosphäre, manchmal
fast zu ernsthaft. Die Tatsache, dass er in seinem Brotberuf mit Chemikalien
handelt, mag Struck auch für seinen umsichtigen Umgang mit den
brisanten Handke-Stoffen (Jugoslawien) prädestinieren. Anti-süffisant,
anti-alarmistisch, einfach angenehm nüchtern ist sein Ton, den man im
Handke-Feuilleton - zumal seit seiner Forderung nach "Gerechtigkeit für
Serbien" - strukturell eher vermisst. Wie aber gerät ein nicht unbedingt
literaturwissenschaftlich sozialisierter Leser wie Struck überhaupt zu
so einem "Germanistenschmaus" wie Handke? Am Anfang des Handke-Lesens stand bei Struck, wie bei so
vielen, "Die Angst des Tormanns beim Elfmeter". "Zähl ich heute nicht
mehr zu den Highlights", sagt er nonchalant und ergänzt etwas, das
Handke-Hasser wahrscheinlich aufhorchen lässt: "Ich find' den späten
Handke ja viel besser als den ganz frühen." Struck meint damit
tatsächlich auch den Jugoslawien-Handke, der die Weltöffentlichkeit bis
mindestens 2006 beschäftigt hat, aber "leider nur im Sinne eines
vulgär-politischen Diskurses". Er verweist auf frühere
Jugoslawien-Geschichten, etwa"Die Wiederkehr" oder "Die Abwesenheit".
"Da fing das erst an, dass ich kein Buch mehr ausgelassen hab." Und wie kommt der Fan eines Autors, der am liebsten mit
dem Bleistift schreibt, zum Bloggen? Struck fing mit privaten
Lektürenotaten an, brachte sich 2005 für eine kurze Zeit beim
Mitmachforum Nensch.de ein, seit Anfang 2006 ist er eigenständig mit
seinem "Begleitschreiben" aktiv. 400 Beiträge mit insgesamt 4000
Kommentaren hostet er inzwischen. Wenn er über Handke bloggt, schalten
sich vom Handke-Übersetzer Michael Roloff bis zu Malte Herwig, dessen
Handke-Biografie demnächst erscheint, die Spezialisten ein. Insofern ist
Strucks Werdegang natürlich auch eine Erfolgsgeschichte des
Internetzeitalters: Leute wie er waren und blieben im Literaturbetrieb
alter Schule unsichtbar und allein. Heute, und diese Errungenschaft der Netzkultur ist gar
nicht hoch genug einzuschätzen, hat ein Leser ohne Beziehungen zum
Betrieb, ohne Vernetzung im klassischen Sinne, ganz andere
Möglichkeiten. Auch die knallharte Dichotomie zwischen Laien-Lesern und
Profi-Kritikern, die uns die Branche noch vor Jahren einbleuen wollte,
steht nicht mehr unangefochten. Qualitativ sind Strucks
Buchbesprechungen allein von ihrer Länge her die pure Anmaßung gegen die
etablierten Feuilletons, in Sachen Gründlichkeit können sie es sowieso
mit der Großkritik aufnehmen. Struck selbst sieht das bescheidener,
vermutlich auch realistischer: "Meine Sachen sind zugegeben zu lang,
vermutlich auch viel zu speziell." Wobei bestimmte User genau das
schätzen: "Die Buchrezensionen sind nach meinem Eindruck besser als die
in den renommierten Zeitungen. Nicht gar so verschwurbelt formuliert und
mehr mit Originalzitaten belegt", so ein Kommentar. Dem ganzen Blog "Begleitschreiben" liegt ein beinahe
provozierend altmodischer Glauben an das Leitmedium Literatur zugrunde.
Struck beharrt auf dem Unterschied zwischen literarischer und
journalistischer Sprache (etwa in "Gerechtigkeit für Serbien"), auch
wenn alle Welt in Sachen Handke auf eine aufgeregte Medienwirklichkeit
abonniert ist. In Handkes Jugoslawien-Nostalgie sieht er keine Dummheit
oder gezielte Provokation, sondern nur ein Zerfallsprodukt jenes
Jugoslawien-Traumbildes, das Struck "Handkes Arkadien" nennt - eine
These, die er in einem eigenen Buch weiter vertiefen möchte. Also Gerechtigkeit für Handke? Weiß Gott nicht: Wer
Struck bei "Begleitschreiben" oder auch im Online-Magazin "Glanz &
Elend" liest, wird feststellen, dass hier kein blindwütiger Eiferer am
Werk ist. Wohl einer, in dessen Referenzsystem auch bei
Buchbesprechungen zu ganz anderen Autoren der Name des Österreichers
öfter fällt. Aber einer, der Handke auch unverblümt einen "Autisten"
nennt. Auch wir sitzen wie halbe Autisten mitten in der
sommerlichen Düsseldorfer Fußgängerzone: Der Cappuccino ist längst
ausgetrunken, die Cola warm geworden, und erst jetzt merken wir, in was
für ein Handke-Setting wir hier eigentlich geraten sind: Erst wurde
gedrehorgelt, dann fuhr die Kehrmaschine, jetzt wird Kanal abgesaugt -
ein Lärm wie in der "Niemandsbucht". Es gibt da diese Szene, wo der
Erzähler sich seitenlang über die ganzen Rasenmäher, Laubbläser und
Häckselmaschinen seiner "Allmaschinennachbarn" auslässt. Und was setzt
der Schriftsteller dem entgegen? Naja - er tritt vor die Tür und
versucht, sich beim Bleistiftspitzen bemerkbar zu machen, indem er
"lautestmöglich in das Spitzgerät" bläst: "Ein anderer Lärm fiel mir
nicht ein." Bornierte Handke-Hasser finden das natürlich peinlich.
Struck aber schultert seine feine Herrentasche und sagt: "Wenn das kein
Humor ist, dann weiß ich auch nicht!" Lothar Strucks Blog: begleitschreiben.twoday.net
AND THE COMMENT I LEFT AT 'DIE WELT
Als Handke's erster
Amerikanischer Uebersetzer und Verleger und jetzt Handke
Wissenschaftler habe mich lange mit Lothar Struck ueber Handke
unterhalten, bis der liebe Lothar sich als unkritischer Anbeter
entpuppte [anhand MORAWISCHE NACHT] Er was Lektor meines "Dem Handke
auf die Schliche" http://www.van.at/see/mike/index.htm Handke nennt sich
selbst Autist, ein Mediziner hat's ihm gesagt, siehe das Ganter
Interview "Ich Lebe doch nur von den Zwiwchenrauemen." Die volkommen
programmierte Welt, insgesammt fernsehenden Intellektuellen, haben es
Handke leicht gemacht gegen die primitive Verteufelung der Serben zu
wettern. Aber als es darauf ankam fuer Milosevics als Zeuge aufzutreten,
da genuegte die Kurasch nicht. Handke ist ein selten zwiespaeltiger
Mensch, es steckt ungeheurlich viel Liebe in ihm, und sehr viel das mich
zum kotzen reizt.
http://handke-magazin.blogspot.com/2010/06/handke-magazine-is-over-arching-site.html
MICHAEL ROLOFF
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exMember Seattle Psychoanalytic Institute and Society
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"MAY THE FOGGY DEW BEDIAMONDIZE YOUR HOOSPRINGS!" {J. Joyce}
"Sryde Lyde Myde Vorworde Vorhorde
Vorborde" [von Alvensleben]
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