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Thursday, December 15, 2011

ANDRE MUELLER + PETER HANDKE


Nur schweigen wäre schöner

Gespräche des großen Interviewers André Müller – eine beglückende Lektüre
André Müller mit dem Schriftsteller Peter Handke
André Müller mit dem Schriftsteller Peter Handke
Auf der Rückseite des Umschlags seines jüngsten und letzten Gesprächsbandes sitzt der Interviewer André Müller mit dem Schriftsteller Peter Handke an einem Gartentisch. Es ist, nach der Farbe der Blätter zu urteilen, ein Spätsommertag. Die Füße des Schriftstellers sind nackt, seine Schuhe stehen neben seinem Holzstuhl, die rechte Hand ruht auf der Armlehne, der Zeigefinger der linken Hand liegt oberhalb der Lippe, da, wo der Schnurrbart wächst: nachdenkliche Pose. Der Dichter hört zu. Der Interviewer sagt gerade etwas: spöttischer Gesichtsausdruck. Auf dem Tisch zwischen Dichter und Interviewer stehen Gläser, Pflanzen, allerhand Kram. Wenn reden noch einmal möglich ist, wo, wenn nicht hier?
Der Tisch im Grünen scheint der ideale Ort für etwas zu sein, das viel besser ist – seltener, einzigartiger, wertvoller – als nur noch ein weiteres blödes Interview: eine Begegnung unter guten Bekannten, ein Gespräch unter Freunden. Wenn der Schriftsteller und der Interviewer sich zum zweiten Mal bei Handke zu Hause im Pariser Vorort Chaville treffen – im legendären ersten Gespräch hatte Handke den journalisten als Deppen bezeichnet –, dann dokumentiert das Gesprächsfoto exakt die Aura, die besondere Atmosphäre, die Müller für seine Gespräche brauchte. Das Bild sagt: Jetzt sitzen wir hier, wir sind unter uns, die Welt um uns herum schwindet – und nun, lieber Freund, lass uns die ganze Wahrheit auf den Tisch legen, den ganzen Schmerz, das ganze Aua, allen Hass, Selbstzweifel, alle Verwirrung, die scheußliche Unmöglichkeit, die es bedeutet, auf der Welt zu sein, und, ganz wichtig bei Müller, diesem Wiener Temperament: die Angst vor dem Tod, ja, die Todessehnsucht. Die quintessenzielle Frage, die der Interviewer Müller an all seine Gesprächspartner hatte, lautet: »Haben Sie jemals konkret daran gedacht, sich das Leben zu nehmen?« Es ist dies die eigentliche Leistung des großen, des unsterblichen, des zu Recht so gerühmten Interviewers André Müller, der im Frühjahr dieses Jahres im Alter von 65 Jahren einem Krebsleiden erlag: Er hat gezeigt, dass reden gegen alle Wahrscheinlichkeit doch möglich ist.
Auf der Rückseite des Umschlags seines jüngsten und letzten Gesprächsbandes sitzt der Interviewer André Müller mit dem Schriftsteller Peter Handke an einem Gartentisch. Es ist, nach der Farbe der Blätter zu urteilen, ein Spätsommertag. Die Füße des Schriftstellers sind nackt, seine Schuhe stehen neben seinem Holzstuhl, die rechte Hand ruht auf der Armlehne, der Zeigefinger der linken Hand liegt oberhalb der Lippe, da, wo der Schnurrbart wächst: nachdenkliche Pose. Der Dichter hört zu. Der Interviewer sagt gerade etwas: spöttischer Gesichtsausdruck. Auf dem Tisch zwischen Dichter und Interviewer stehen Gläser, Pflanzen, allerhand Kram. Wenn reden noch einmal möglich ist, wo, wenn nicht hier?
Der Tisch im Grünen scheint der ideale Ort für etwas zu sein, das viel besser ist – seltener, einzigartiger, wertvoller – als nur noch ein weiteres blödes Interview: eine Begegnung unter guten Bekannten, ein Gespräch unter Freunden. Wenn der Schriftsteller und der Interviewer sich zum zweiten Mal bei Handke zu Hause im Pariser Vorort Chaville treffen – im legendären ersten Gespräch hatte Handke den Journalisten als Deppen bezeichnet –, dann dokumentiert das Gesprächsfoto exakt die Aura, die besondere Atmosphäre, die Müller für seine Gespräche brauchte. Das Bild sagt: Jetzt sitzen wir hier, wir sind unter uns, die Welt um uns herum schwindet – und nun, lieber Freund, lass uns die ganze Wahrheit auf den Tisch legen, den ganzen Schmerz, das ganze Aua, allen Hass, Selbstzweifel, alle Verwirrung, die scheußliche Unmöglichkeit, die es bedeutet, auf der Welt zu sein, und, ganz wichtig bei Müller, diesem Wiener Temperament: die Angst vor dem Tod, ja, die Todessehnsucht. Die quintessenzielle Frage, die der Interviewer Müller an all seine Gesprächspartner hatte, lautet: »Haben Sie jemals konkret daran gedacht, sich das Leben zu nehmen?« Es ist dies die eigentliche Leistung des großen, des unsterblichen, des zu Recht so gerühmten Interviewers André Müller, der im Frühjahr dieses Jahres im Alter von 65 Jahren einem Krebsleiden erlag: Er hat gezeigt, dass reden gegen alle Wahrscheinlichkeit doch möglich ist.
Mit wem redete Müller? Die Letzten Gespräche versammeln die letzten im Sinne seiner besten Gespräche. Müller hat das intellektuelle Personal der Republik interviewt, diejenigen, die unter Verdacht stehen, besonders ernste, schwierige, tiefgründige Gesprächspartner zu sein (Günter Grass, Elfriede Jelinek, Marcel Reich-Ranicki, Gerhard Richter), einige ausländische Kapazitäten (Ingmar Bergman, Salman Rushdie, Michel Houellebecq) und, gewissermaßen zur Auflockerung, einige klassische Nichtintellektuelle (die Pornoproduzentin Dolly Buster, den Torwart Toni Schumacher), die er als überraschend tiefsinnig, zumindest wortgewandt vorführte.
Wichtig ist, dass der Interviewer Müller sich auf alle Fälle immer für so klug und interessant hielt wie seine klügsten und wichtigsten Gesprächspartner. Das gute Gespräch beginnt mit der übersteigerten Selbstwahrnehmung des Interviewers, ja mit seiner hoffnungslosen Selbstüberschätzung: Was für ein Quatsch, dass der Interviewer eine Distanz zum Objekt seiner Fragen einnehmen sollte, im Gegenteil, er braucht möglichst wenig davon! Wichtig ist auch – das macht die Nähe, Wärme und Herzlichkeit seiner Gespräche aus –, dass der Interviewer seine Gesprächspartner nicht nur auswendig kennt, sondern liebt. Müller war immer auch ein Aktenfresser, ein Recherche-, ein Vorbereitungskünstler. Wenn er das Aufnahmegerät einschaltete, dann hatte er den O-Ton aller bereits geführten Gespräche parat. Sich mit einem Menschen ausgiebig zu beschäftigen, das lehrt die Interviewkunst Müllers, heißt, ihn schätzen zu lernen. Wie der Interviewer Müller für sein Gegenüber Elfriede Jelinek schwärmt, wie er sie, die große, störrische, zum Zeitpunkt des Gesprächs von der Verleihung des Nobelpreises aufgebrachte Dame, mit klassischen Komplimenten (»Ich finde, Sie sind eine schöne Frau«) beruhigt, öffnet und sich ihr selbst näher bringt, das rührt zu Tränen und führt den Leser zu allergrundsätzlichsten Einsichten: Es gibt zu wenig Nähe, Wärme, Zuneigung auf der Welt. Wir alle sollten mit unseren Nächsten viel öfter so reden, wie der Interviewer André Müller seine Gespräche führte.
Von Müller stammt der wunderbar resignative und romantische Stoßseufzer, gegen Ende seiner Interviewer-Karriere hervorgebracht, die 1975 für die Kronen Zeitung begann und ihn über die StationenAbendzeitung und FAZ zu seinem langjährigen Betätigungsfeld, dem Feuilleton dieser Zeitung, führte: »Ich habe die Erfahrung gemacht, dass ich mehr zu sagen habe als die Leute.« Es ist dies die Erfahrung, die jeder Interviewer zwangsläufig machen muss: Die Leute haben nichts zu sagen. Oder, schlimmer noch: Sie haben, aber sie wollen nicht. Am Ende ist es der Interviewer, nicht der Interviewte, der aus den wenigen Worten, der aus dem Nichts Sprache macht. Müller leidet darunter, dass nicht alle seine Gesprächspartner so hell, leicht und lakonisch daherreden können wie sein Idol, der österreichische Theatermacher Thomas Bernhard. Mit seinen Fragen hat Müller seine Gesprächspartner gewissermaßen in einen heilsamen Schockzustand versetzt – es war der Schock darüber, dass ihnen da jemand in der Welt, die vom Gequatsche der Talkshows dröhnt, die brutal ernsten, offenen und grundsätzlichen Fragen stellt, die sie selbst nie zu stellen gewagt hätten. Weil Müller als Philosoph, Charmeur und Therapeut in einer Person auftrat, konnten seine Gesprächspartner all das auch sein.
Der Tiefsinn-Fan André Müller: Dieser Interviewer will keine Bekenntnisse, er will das totale Bekenntnis. Gute Fragen tun weh. Wer sie ernst nimmt – bei Müller war nichts anderes möglich –, der muss jede Frage wie ein kleines Verbrechen an der Menschlichkeit empfinden. Müller sagte zu Handke: »Sie werden im Dezember fünfundsechzig.« Was für eine Gesprächseröffnung! Ein Paradoxon von Müllers Fragekunst liegt darin, dass zwei Drittel seiner Fragen gar keine Fragen sind, sondern Sätze, die mit einem Punkt, nicht einem Fragezeichen enden. Dieser Interviewer stellt kaum Fragen, er gibt Antworten – und lockt dadurch die Korrektur und Fortführung seiner Antwort, die fortgesetzte, die erweiterte Aussage hervor. Gleich mit der eröffnenden Bemerkung stürzt der Fragensteller in den Tiefsinn hinab und reißt den Antwortgeber mit hinab. So sieht bei Müller Teamwork aus: Das Interview ist der gemeinsame Aufstieg, das Kraxeln aus der Grube des Tiefsinns ans Licht der Erkenntnis. Die Erleuchtung ist eine anstrengende Sache. 
In einer perfekten Welt wäre das Interview wie ein Kartenspiel: Die Regeln wären klar, die Karten verteilt, es würde gHandke + Muellerespielt, es würden keine großen Worte gemacht. Und vielleicht ist das die einfache Wahrheit, die jedem der Gespräche André Müllers zugrunde liegt: Sprechen ist schön, aber schweigen und sich dabei alles Notwendige sagen wäre natürlich noch besser. Ein Interviewer kann immer nur so gut sein, wie er um die Regelverletzung, die Zumutung, das Nervenaufreibende jeder seiner Fragen weiß. Der Interviewer André Müller muss gewusst haben, was für eine entsetzliche Nervensäge er war. Da oben, am Grubenrand, muss es doch ein Licht geben, eine Ahnung von irgendeinem Sinn. Vielleicht weht dort oben, im Nirwana der großen Interviewer, wo keine Gespräche mehr geführt werden, sondern geschwiegen wird – wie wunderbar wäre das –, der leichte und warme Wind der totalen Sinnlosigkeit.
Eine letzte Frage bleibt unbeantwortet. Sie hat das Zeug, den Rezensenten dieses Buchs zu quälen: Warum habe ich den Interviewer André Müller nie interviewt?


Wednesday, December 7, 2011

KATJA FLINT'S READING OF "A Sorrow Beyond Dreams"



GF ancienne, KATJA FLINT about my man's WUNSCHLOSES UNGLUECK/ SORROW BEYOND DREAMS [available vie NYRB books these days], which now that I know that he lied about the trip he took with his real father [SEE Malte Herwig's bio MEISTER DER DAEMMERUNG], I regard with more suspicion than I used to.   KATJA FLINT'S READING OF "A Sorrow Beyond Dreams" Katja gives  a good - that is avery understanding reading of the book.  m.r.

06.12.2011 · 15:05 Uhr
Die Schauspielerin Katja Flint (Bild: picture alliance / dpa/Jens Kalaene)Die Schauspielerin Katja Flint (Bild: picture alliance / dpa/Jens Kalaene)

Schauspielerin Katja Flint über das Buch "Wunschloses Unglück" von Peter Handke

Reihe: "Mein Klassiker"

Von Eric Leimann

Katja Flint wurde mehrfach zur schönsten Frau Deutschlands gewählt. In den letzten Jahren war die heute 51 Jahre alte Schauspielerin in Fernsehspielen wie "Jenseits der Mauer" oder "Der verlorene Sohn" zu sehen. Aus ihrem reichen Kulturschatz hat Flint für unsere Reihe "Mein Klassiker" ein Buch ausgesucht. 
"Mein Name ist Katja Flint und mein Klassiker ist "Wunschloses Unglück" von Peter Handke. Es ist ein zeitgenössischer Klassiker, den auch die Literaturkritiker so sehen - einer hat sogar mal geschrieben - ein Jahrhundertbuch. Es ist, glaube ich, das meistgelesene Buch von Peter Handke, weil es, wie er selbst erzählt hat, man braucht keine Voraussetzungen außer, dass man lesen können muss, um es zu verstehen."

Unter der Rubrik "Vermischtes" stand in der Sonntagsausgabe der "Kärntener Volkszeitung" Folgendes: In der Nacht zum Samstag verübte eine 51-jährige Hausfrau aus A., Gemeinde G., Selbstmord durch Einnehmen einer Überdosis von Schlaftabletten. Es ist inzwischen fast sieben Wochen her, seit meine Mutter tot ist. Und ich möchte mich an die Arbeit machen, bevor das Bedürfnis über sie zu schreiben, das bei der Beerdigung so stark war, sich in die stumpfsinnige Sprachlosigkeit zurück verwandelt, mit der ich auf die Nachricht von dem Selbstmord reagierte.

"Es ist aber viel mehr als nur die Geschichte seiner Mutter, die tragischerweise Selbstmord begangen hat. Die Mutter lebte von 1920 bis 71 und es erzählt das Leben der Mutter sowohl aus dem Blickwinkel des Sohnes als auch eines Berichterstattenden. Und das macht diese besondere Form aus. Diese etwas distanziertere Berichterstattung."

Bei den Frauen war diese Zukunft ohnehin nichts als ein Witz. Keine Möglichkeit, alles schon vorgesehen. Kleine Schäkereien, ein Kichern, eine kurze Fassungslosigkeit, dann zum ersten Mal die fremde gefasste Miene, mit der man schon wieder abzuhausen begann, die ersten Kinder, ein bisschen noch dabei sein nach dem Hantieren in der Küche, vom Anfang an überhört werden, selber immer mehr weghören, Selbstgespräche, dann - schlecht auf den Beinen, Krampfadern, nur noch ein Murmeln im Schlaf, Unterleibkrebs und mit dem Tod ist die Vorsehung schließlich erfüllt.

"Der Peter Handke ist ein uneheliches Kind gewesen und das hat er erst sehr spät erfahren, weil er nicht glauben konnte, dass dieser Vater, sein Stiefvater, der auch Handke hieß, wirklich sein Vater ist. Das eigentliche Familienleben war eigentlich auch in relativer Armut und diese Beziehung zu dem Stiefvater war keine glückliche, der trank und es war alles nicht so rosig. Und trotzdem ist diese Art und Weise, wie er das erzählt, die scheinbare Distanz, die keine ist, die hat mich zutiefst berührt."

Aus Hilflosigkeit nahm sie Haltung an und wurde sich dabei selbst über. Sie wurde verletzlich. Sie war ganz leicht zu erniedrigen. Wie ihr Vater glaubte sie, sich nichts mehr gönnen zu dürfen. Und bat doch wieder mit verschämten Lachen die Kinder, sie an einer Süßigkeit einmal mitlecken zu lassen.

"Das ist das, was die Literatur von Peter Handke ausmacht: Sie ist nicht immer einfach zu lesen - dieses Buch ist eines, das man gut lesen kann, auch wenn man keine literarischen Vorkenntnisse hat - die anderen Bücher und Journale sind oft schwer zu verstehen - und doch sind es Dinge, die einem nachgehen. Also die einem so im täglichen Leben nachgehen, weil da werden Dinge ausgesprochen, die einem dann am nächsten Tag wieder einfallen und die einfach was von der Welt erzählen und von den Menschen und von Familie und all diesen Dingen, die mit uns was zu tun haben."

Sie nahm alle Schmerztabletten, mischte ihre sämtlichen Antidepressiva darunter. Sie zog ihre Menstruationshose an, in die sie noch Windeln einlegte, zusätzlich zwei weitere Hosen, band sich mit einem Kopftuch das Kinn fest und legte sich ohne die Heizmatte einzuschalten in einem knöchellangen Nachthemd zu Bett.

"Also - als ich anfing zu lesen, das war erst nach dem Abitur. Ich habe mein Abitur geschrieben noch mit Auswendiglernen von Kindlers Literaturlexikon, weil ich in Amerika aufgewachsen war und nicht gut Deutsch konnte und mich dann immer so durchgeschummelt habe. Und dann erst nach dem Abitur, als ich dann langsam gut genug Deutsch wieder konnte, habe ich angefangen zu lesen - freiwillig - und da war Peter Handke eben ein Star der Literatur und man hat einfach Handke gelesen. Und komischerweise ist das eines der Bücher, die ich mehrfach gelesen habe und das ich auch gerne verschenke - weil mich hat das Buch schon berührt, bevor ich ihn näher kannte."

Alle Ausschnitte stammen vom Hörbuch:
Peter Handke - Wunschloses Unglück
gelesen von Bruno Ganz, aufgenommen im November 1977 in Hamburg, Regie Dorothee Koehler, CD erschienen 2004 bei Universal / Deutsche Grammophon (981 971-3)
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Friday, November 18, 2011

HANDKE CONFERENCE/ LITERATUR ARCHIV MARBACH


18.02.2012 · 17:30 Uhr
Peter Handke (Bild: AP)Peter Handke (Bild: AP)

Handke, kontrovers diskutiert

"Stationen, Orte, Positionen: Peter Handke": Tagung des Deutschen Literaturarchivs Marbach

Von Christian Gampert

Handkes Wut auf westliche Heuchelei und zweierlei Maß bei der Aufarbeitung des Jugoslawienkriegs ist zum Teil nachvollziehbar - nur leider ist er auf dem serbischen Auge völlig blind. Und so kamen auch die Teilnehmer der Peter Handke-Tagung im Deutschen Literaturarchiv in Marbach nicht darum herum, dieses Thema zu diskutieren.
Manchmal besteht offenbar der Zwang, alte Debatten zu reinszenieren. Ein solches Ritual war jetzt bei der Peter-Handke-Tagung des Deutschen Literaturarchivs in Marbach zu beobachten: Als der Bonner Germanist Jürgen Brokoff die Positionen Handkes zum Balkan-Krieg kritisierte, fuhr der langjährige Handke-Lektor Raimund Fellinger fast aus der Haut: Brokoffs Vortrag sei "grauenhaft". Auch der Salzburger Germanist Hans Höller fühlte sich durch Brokoffs einführendes Diktum, nach der Betrachtung des Guten und Schönen im Werk Handkes komme man nun zum Politischen, missverstanden bis gekränkt: Gerade in der Verschränkung von Poesie und Politik bestehe ja Handkes große Leistung, und "das Klassische", von dem Höller zuvor in seinem Vortrag gesprochen hatte, sei für das Nachkriegskind Peter Handke eben nicht nur das Ästhetische und Anschauende, sondern eine Befreiung von "dem, was einen niederdrückt":

"Und das Merkwürdige ist, dass er die Begründung der Notwendigkeit von Klassik, des rettenden Klassischen, darin sieht, dass er sich befreien möchte aus der Vergangenheit. Der Vergangenheit, das heißt, ein armes, gedrücktes Kleinhäusler-Geschlecht, und das meint auch die Geschichte der Slowenen im Nationalsozialismus. Und das Entscheidende ist eben, dass Klassik bei ihm etwas ganz Elementares ist, was einen am Leben hält, und was die Tradition einem zur Verfügung stellt."

Brokoff, der schon im letzten Jahr in der FAZ einen scharfen Artikel gegen Handke publiziert hatte, war um Ausgleich bemüht, konzedierte Verdienste Handkes, der als Einzelner gegen den politischen Mainstream schwimme, diagnostizierte aber eine Wahrnehmungstrübung und Tendenz zur Relativierung bei serbischen Kriegsverbrechen. Handkes Illusion vom alten Jugoslawien, vom Vielvölkerstaat als Gegenmodell zum deutschen und kroatischen Faschismus, verführe den Autor zu unhaltbaren Positionen:

"Darüber hinaus könnte man darüber nachdenken, ob es nicht der Rolle eines Schriftstellers in der Mediendemokratie gut ansteht oder zupasskommt, öffentlich Skandale auszulösen mit provokanten Haltungen, um eine Debatte ins Werk zu setzen."

Diese Debatte freilich hat Handke enorm geschadet: Manche Buchhändler, so erzählte es der Kritiker Ulrich Greiner, sind offenbar stolz darauf, keine Handke-Bücher mehr zu verkaufen. Die abendliche Veranstaltung, bei der Greiner und die Autorin Sibylle Lewitscharoff über ihre Handke-Lektüren sprachen, gehörte dann zum Unterhaltsamsten, was in Marbach je stattfand. Lewitscharoff wollte die möglicherweise auch auffahrende Person Handke scharf vom großartigen Autor geschieden wissen, der dem gegenwärtigen erzählerischen "Grausamkeits-Theater" gänzlich abhold und einer "humanen Schönheit" verpflichtet sei, der dem Leser "epiphanische Sprengkapseln" verabreiche und die Welt neu denken lehre. Handke verfüge über die seltene Fähigkeit, "ein Autobahndreieck mit den Augen Adalbert Stifters zu sehen", also die Moderne mit dem Blick der literarischen Ahnen zu betrachten.

Ulrich Greiner wiederum berichtete über nächtliche Pariser Metro-Fahrten mit Handke, den "Erlösungsgedanken" in dessen Werk und seine eigene Lektüre der "Stunde der wahren Empfindung", wo aus Sonne, Kies und einer roten Haarspange eine Art rettende Aufgehobenheit entstehe. Das korrespondierte schön mit dem Vortrag von Ulrich von Bülow, der die in Marbach lagernden Notizbücher Handkes durchforstet hat und Handke als - wenngleich selektiven - Heidegger-Leser vorstellte. Die Welt der Dinge bekomme auch bei Handke eine "innerweltliche Transzendenz".

Dieses sakrale "Spiel vom Fragen" des Parzival Peter Handke aber hat bisweilen auch eine polemische Note. Die gibt es zwar schon, seit der junge Handke der "Gruppe 47" "Beschreibungs-Impotenz" vorwarf. Aber wer sich mit Handke auseinandersetzt, muss sich verletzbar machen. Er selber macht das ja auch.


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Wednesday, February 22, 2012


FIRST HANDKE CONFERENCE IN MARBACH


Bericht aus der Akademie
Im Dezember dieses Jahres wird Peter Handke 70. Das war dem Deutschen Literaturarchiv in Marbach Anlass, einen der wichtigsten Schriftsteller der Gegenwartsliteratur mit einem Forschungstreffen unter dem Titel »Stationen, Orte, Positionen: Peter Handke« zu würdigen.

Lothar Struck, unser Fachmann für Peter Handke, war die zwei Tage vor Ort.
Zwei Tage stand Marbach für Handke-Exegeten und solche, die sich dafür halten, im Mittelpunkt. Unter dem etwas sperrigen Titel Stationen, Orte, Positionen: Peter Handke" wurde das "1. Forschungstreffen Suhrkamp/Insel" ("unterstützt durch Hubert Burda") im deutschen Literaturarchiv abgehalten. Man tagte – und stritt, und das einigermaßen heftig.    
Letzteres war vorprogrammiert, hatte man doch mit Jürgen Brokoff als Referenten über die "Jugoslawien-Texte" eine Person ernannt, der Handke mutwillig missverstehend vor anderthalb Jahren als "serbischen Nationalisten" beschimpfte. (Der intellektuelle Ehrensold für diese FAZ-gemässe Attacke zeigte sich wenige Tage später in einer Hymne auf Brokoffs Buch Geschichte der reinen Poesie. Honi soit qui mal y pense). Brokoffs Vortrag am Ende des ersten Tagungstages sprengte dann auch fast wörtlich die Veranstaltung. Zum einen musste das Programm umgestellt werden, da die anschließende Diskussion (oder das, was man dafür hielt) kein Ende finden wollte, andererseits jedoch Ulrich Greiner und Sibylle Lewitscharoff zum Gespräch baten. Und zum anderen blieb die Atmosphäre für den Rest der Veranstaltung gespannt.
Da war denn schnell der Auftakt vergessen. Der anekdotisch-komödiantische Auftritt mit Hubert Burdas emphatischen Schilderungen über seine Freundschaft zu Handke und dessen Ausrasten bei der nicht ganz unberechtigten Frage, was denn nun der "Bildverlust" wirklich sei. Burda wusste wohl nichts von jener fast legendären Publikumsbeschimpfung Handkes nach einer Aufführung des "Spiels vom Fragen", in der er Anfang der 90er Jahre die Frage eines Zuschauers, worüber das Stück eigentlich handele mit rustikalen Empfehlungen ("Geht's doch scheißen!"), wüsten Beschimpfungen ("Ihr Wichte") und Handkantenschlägen gegen das Mikrophon quittierte. (Nebenbei: Man sollte ernsthaft überlegen eine Fernseh- oder Radiosendung mit dem Titel "Hubert Burda erzählt" einzurichten; dieser Mann kann einfach wunderbar Anekdoten vortragen.)
Danach begab sich Hans Höller auf eine Spurensuche zu Handke als klassischer Autor. Schließlich suchte Ulrich von Bülow in den Notizbüchern Handkes akribisch nach der Verbindung Handkes zu Heidegger und berichtete (und zeigte) Handkes Heidegger-Zitate, um dann insgesamt festzustellen: Handke zitiert und paraphrasiert den Philosophen nicht systematisch. Zwar habe er nachweislich einige Aufsätze von ihm (beispielsweise "Bauen Wohnen Denken") nebst einiger Sekundärliteratur gelesen, "Sein und Zeit" jedoch nicht (so Handke persönlich zum Referenten). Dies könne insgesamt "kaum als Einfluss" ausgelegt werden, so die These. Offen blieb dabei, ob die zuweilen dann doch gelegentlich prominent eingestreuten Termini Handkes (wie das "Verbot der Sorge" als Pablos Gesetz oder der Topos des Wohnens als Urform des Existierens im "Versuch über den geglückten Tag") nicht doch vielleicht mehr als nur Sprachspiele des Dichters sind.
Anschließend stellte Katharina Pektor die Bedeutung von Wolfram von Eschenbachs "Parzival" in Handkes Prosa als stärker als bisher angenommen heraus. Sie entdeckte "zahllose Referenzen" (u. a. auchbiografische Parallelen zwischen Handke und  Eschenbach, die dann doch etwas konstruiert erschienen). Besonders konzentrierte sich Pektor auf "Die Abwesenheit" und "Das Spiel vom Fragen". Im Theaterstück gibt es nicht nur in der Figur des "Parzival" (zu Beginn eine Art eine Art hyperaktiver Kaspar Hauser; erinnernd durchaus an Handkes "Kaspar") sondern auch indirekt  Nachweise zu Eschenbach-Motiven (die Figurenkonstellationen in beiden Texten). Dass ausgerechnet in diesen beiden Werke auch eine Art gesellschaftspolitischer Utopie Handkes über das Zusammenleben von Menschen steckt, blieb leider unberücksichtigt.         
Die Notizbücher als Steinbruch
Bereits diese beiden Vorträge illustrierten wie die Notizbücher Handkes, aus denen die Journal-Bände zwar hervorgingen, jedoch nur ein kleiner Teil publiziert wurde (vgl. den Aufsatz von Ulrich von Bülow "Die Tage, die Bücher, die Stifte. Peter Handkes Journale" in: Profile 16, hrsg. v. Klaus Kastberger, eine neue, sprudelnde Forschungsquelle für Interpretationen geworden sind und noch sein werden. Damit rückt allerdings zwangsläufig eine bestimmte Schaffensperiode in den Vordergrund, denn zur Forschung sind bisher ausschließlich die 66 Bücher von 1975 bis 1990 freigegeben. Die späteren Notizbücher, die sich (meinen Informationen gemäß) ebenfalls bereits in Marbach befinden, sind noch "Verschlußsache". Malte Herwig, der zu Zeiten seiner Recherchen zur Biographie "Meister der Dämmerung" diese Hefte damals noch in Handkes Haus einsehen konnte, bemerkte, dass diese Aufzeichnungen neben dem bekannten Werkstattcharakter auch private und intimere Passagen ausweisen und womöglich fast eine andere Kategorie darstellen. Philologisch interessant sind sie vor allem deswegen, weil in diesem Zeitraum die als Jugoslawien-Texte apostrophierten Bücher entstanden sind und sich sicherlich zahlreiche "ungefilterte" Eindrücke und Reflexionen der diversen Reisen Handkes finden lassen würden. 
Wie vermint der Umgang mit dem Serbien-Engagement Handkes ist, zeigte der Vortrag von Jürgen Brokoff, der von einigen Teilnehmern verblüffenderweise als "ausgewogen" bezeichnet wurde. Dabei verstand es Brokoff meisterhaft, Zitate von Handke zu entkontextualisieren und zu Sklaven seiner These zu machen: Er, der Dichter, sei mit seiner "Medienkritik" (die in Wahrheit natürlich eine Sprachkritik ist – was Brokoff unzulässig vermengt) dann doch übers Ziel hinausgeschossen, so die Quintessenz (durchaus in richterlichem Gestus vorgebracht). Zwar findet Brokoff (leicht gönnerhaft attestiert) diskussionsfähige "Ansätze" in den "Texten", aber etliche Male fiel dann das präjudizierende Füllsel "problematisch" – ohne dieses "Problematische" konkret zu benennen. Das war zwar insgesamt besser als seine Beschimpfungen ad hominem vom Sommer 2010 (s. o.), aber auch perfider, weil er oft genug das verschwieg, was den Zitaten vor- oder nachgeordnet war.
»Grauenhaft«
Die ganze Dimension des politischen und auch gesellschaftlichen Sehnsuchtsraums Jugoslawien für Handke ignorierte Brokoff alleine schon dadurch, dass er in seiner Aufzählung der inkriminierten Texte weder "Die Wiederholung" (1986) noch "Zurüstungen für die Unsterblichkeit" (1997) und auch das Partisanendrama "Immer noch Sturm" (2010) nicht aufnahm. Ohne diese Bücher ist der Komplex Peter Handke und Jugoslawien jedoch nur unvollständig erfasst.
Durchaus zutreffend warf Raimund Fellinger, Handkes Lektor, Brokoff "Insinuationen von Insinuationen" vor. So legte Brokoff unter anderem den Schluss nahe, dass Handke die (serbische) These vom "Rachemassaker" in Bezug auf Srebrenica dahingehend akzeptiert habe, in dem er den Ort der Verbrechen an der serbischen Bevölkerung durch bosniakische Truppen Jahre zuvor um Kravica herum aufsuchte und dort Einheimische befragte. Warum sei Handke nach Kravica gefahren, fragte Brokoff sinngemäß – und lud ein zum Frageergänzungsspiel: "…und nicht nach Srebrenica?" Dabei war Handke mehrmals in Srebrenica (und hat hierüber in zwei Reisebüchern Zeugnis gegeben) und vielfach (sowohl in seinen Büchern als auch in Interviews) die Abscheulichkeit des Völkermordes von Srebrenica betont. Dabei lehnte er definitiv und eindeutig Rache als "Milderungsgrund" rundweg ab (vgl. "Sommerlicher Nachtrag", S. 84).
Weiter nahm Brokoff aufgrund der Szene in den "Tablas von Daimiel", als Handke sich an einen Aufenthalt 1996 im Kosovo erinnert und dort die Augen der Passanten auf sich ausmachte, als Beleg für ein anti-albanisches Ressentiment des Dichters. Unerwähnt bleibt aber zum einen, dass Handke erzählt, wie er in einem Café nicht bedient wird, weil er eine Belgrader Zeitung "zusammenbuchstabierte" und somit als "Serbe" gilt (und dies – nebenbei – als seinen Fehler ausgibt). Und zum anderen wie der Dichter sein Gefühl selber als Paranoia quantifiziert (vgl. "Die Tablas von Daimiel", S. 45-48).
Saubere Textarbeit sieht deutlich anders aus. Aber diese scheinbar so nebensächlichen Details (wie man mir freimütig bekannte) spielten dann in der Diskussion (leider) keine Rolle, was vor allem dem "grauenhaft" von Raimund Fellinger geschuldet sein dürfte, denn von nun an gerierte sich Brokoff als verletzte Seele. In der Boxersprache nennt man das wohlGlaskinn.
Blaue Pilze und Spatzen
Wohltuend dann eine Stunde später das Gespräch zwischen Ulrich Greinerund Sibylle Lewitscharoff, angenehm unaufdringlich moderiert von Jan Bürger. Greiner trug einiges Anekdotische bei (beispielsweise die Zubereitung eines Pilzgerichts durch Handke mit einem blauen Pilz, wobei Greiner kurzfristig befürchtete, der Dichter könnte sich eines vielleicht unliebsamen Kritikers auf diese Art und Weise entledigen) und Lewitscharoff zeigte sich als kenntnisreiche Handke-Leserin mit "großzügiger Treue". Sie schwärmte für seine Spatzenbilder und lobte die "epiphanische Sprengkraft" der Handke-Bilder. Es sei als würde man "mit Stifter auf ein Autobahndreieck schauen". Mit den sogenannten Jugoslawien-Texten kann sie nichts anfangen und vertritt hier eine konträre Position. Greiner erklärte, dass er nach dem famosen "Immer noch Sturm" mehr Verständnis für Handkes Position entwickelt habe. Für einen schönen Schluss der Veranstaltung sorgte dann die Wortmeldung einer Zuhörerin, die mit wohlgeformten, emphatischen (aber nicht pathetischen) Worten von der "Versprachlichung" des Dichters schwärmte und damit für ein paar Sekunden das ganze Auditorium bannte.
Religion oder Spiritualität?
Am zweiten Tag musste der ausgefallene Beitrag von Stephan Sattler über Handke und den Petrarca-Preis noch nachgeholt werden. Es wurde ein heiterer und launiger Vortrag. Tim Lörkes Text über "Dauernde Augenblicke. Sinnstiftende Zeiterfahrungen bei Peter Handke" war außerordentlich gelungen, seine Äußerungen über Handkes "Dauer", dem dauernden (aber dann doch ephemeren) Augenblick und den Erfahrungen damit und dem dann entstehenden (oder voraussetzenden) "Bei-Sich-Sein" insbesondere anhand des Apothekers von Taxham aus dem in der Forschung erstaunlich wenig berücksichtigten Buch "In einer dunklen Nacht ging ich aus meinem stillen Haus" (1997) waren sehr instruktiv und in sich schlüssig. Schön, dass es dies ohne Jargon gelang. "Das Dasein ist groß", so zitierte Lörke aus dem "Felsfenster"-Journal die fast programmatische Welteroberung und "zögerliche Mystik" des Protagonisten/Dichters, wobei er dann später nach einer Frage von Ulrich Greiner Handke vielleicht etwas zu apodiktisch als einen "sehr religiösen Autor" bezeichnete. Diesem Urteil widersprach dann später auch Tanja Kunz in ihrem Beitrag, wobei ich dieses Dementi fast als einziges aus ihrem Vortrag sicher verstanden habe (was freilich am Empfänger liegt/lag).
Studien am und mit dem lebenden Subjekt
Der Handke-Biograph Malte Herwig schilderte aufschlussreich und im wahrsten Sinne des Wortes hemdsärmelig die Problematik, am "lebenden Subjekt" eine Künstlerbiographie zu schreiben. Er erzählte von seinen Aufenthalten in Handkes Haus, den schmackhaften Pilzgerichten und den Spaziergängen des Schriftstellers, der den Biographen alleine in Notizbüchern und Manuskripten zurückließ (die Handke schließlich in "geschickter Erbteilung" als "Vorlass" vergeben habe). Herwig betonte die Authentizität Handkes, die zwar nicht vor einem Posieren haltmacht, aber niemals etwas darstellt, was nicht seinem Wesen entspricht. Dabei verglich er die Stilisierung des Dichters als Dichter am Beispiel der Darstellung der Hände von Thomas Mann und Lillian Birnbaums Bild von Handkes Händen beim Pilzeputzen im 2011 publizierten Band "Peter Handke – Portrait des Dichters in seiner Abwesenheit".© Foto: Lillian Birnbaum 


Und man spürte Herwigs Achtung vor Handkes Konsequenz in Sachen Jugoslawien/Serbien-Engagement, dem Ertragen der (vorhersehbaren und von den Freunden prognostizierten) unerfreulichen Nebenwirkungen. Noch heute gibt es Buchhändler, die stolz sind, keine Bücher von Handke mehr zu verkaufen. Diese Kette der Schrebergartenressentiments lässt sich leicht erweitern: So annullierte man in Schloß Elmau die Einladung zu einer Lesung aus der Handke-Biographie stiekum (vermutlich leckte man noch die Wunden von Peter Sloterdijks "Menschenpark"-Vortrag 1999). Und die jüngste Posse um den Candide-Preis ist ja durchaus noch präsent.   
Frische Frageluft
Die jüngere Handke-Forschung vertraten Christian Luckscheiter undDominik Srienc. Luckscheiter ("Der Ursprung der Erzählung aus der Faszination für den Ort"), der etwas additiv, aber durchaus erhellend, Bombentrichter sehr häufig als Orte in Handkes Prosa (verbunden mit Kriegs- und Gewaltbildern) ausmachte, dabei jedoch nicht ausreichend berücksichtigte, wie Handkes "Trauma" des Bombenkrieges (vgl. Malte Herwigs Biographie) hier hineinspielt. Nach der souveränen und unprätentiösen Museumsführung in Sachen Handke durch Heike Gfrereisging es mit dem sehr gut belegten Beitrag von Dominik Srienc weiter, der von der Entstehungsgeschichte des "Versuchs über die Müdigkeit" (1989), dem ersten Manuskript, das Handke vollständig mit Bleistift geschrieben hatte, berichtete. Srienc präsentierte nicht nur die Malereien, die Handke in den vorbereiteten Texten anspricht und die ihn inspiriert hatten, sondern er spielte sogar ein adäquates Youtube-Video ein um den spanischen Osterlärm, den Handke in den Notizbüchern erwähnt, zu demonstrieren. Was für eine gute Idee!
Den Vortrag über das Handke-Forschungsprojekt an der österreichischen Nationalbibliothek habe ich (leider) genauso verpasst wie Raimund Fellingers Bericht über Handkes Briefwechsel mit Siegfried Unseld. Hier erzählte man mir dann von einem weiteren kleinen Eklat. Als Fellinger Malte Herwig indirekt eine Fehlinterpretation des (sogenannten) "Wutbriefes" von Handke an Unseld vorwarf (Handke wollte die Zusammenarbeit mit dem Verlag wegen einer Widmung von Marcel Reich-Ranicki an Unseld aufkündigen; vgl. "Meister der Dämmerung", S. 291ff) und damit indirekt dessen Arbeitsmethode insinuierend angriff, konterte dieser mit der Frage, warum er, Fellinger, als einziger (neben Jeanne Moreau) seine Biographie boykottiert habe. (Herwig hatte mehrfach – ergebnislos - um Einblick in die Korrespondenz gebeten.) Mit dieser frischen "Frageluft" ("Das Spiel vom Fragen") nicht unbedingt rechnend, fand Fellinger dann prinzipielle Gründe und äußerte seine Befürchtung, den Kontext dann nicht mehr "unter Kontrolle" zu haben.
Naja, immerhin gibt es einen Grund zur Freude: Im Herbst erscheinen dann die Briefe. Aus kontrolliertem Abbau, sozusagen. Lothar Struck
Dank an Lillian Birnbaum für die Genehmigung der Verwendung des Bildes aus ihrem Buch: "Peter Handke. Portrait des Dichters in seiner Abwesenheit", Müry Salzmann-Verlag. © Lillian Birnbaum http://www.glanzundelend.de/Artikel/abc/h/handke_marbach.htm


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Meines Erachtens nicht seriös zu nehmen! Ein mieser Biograph [Herwig],
ein Germanist der nichts von Handkes Verhältnis zu Jugoslawien versteht
und diesbezügliche  Schriften sogar für gefährlich hält [Brockhoff], ein Maezan und
Freund; ansonsten viele Götzendiener! 
http://handke-magazin.blogspot.com/2010/06/handke-magazine-is-over-arching-site.html




http://www.germanistik-im-netz.de/wer-was-wo/22789

Wer-Was-Wo - Detailanzeige

Ergebnisanzeige "Peter Handke: Stationen, Orte, Positionen, Marbach am Neckar"


RessourcentypKonferenzen, Tagungen, Kolloquien
TitelPeter Handke: Stationen, Orte, Positionen, Marbach am Neckar
BeschreibungSTATIONEN, ORTE, POSITIONEN: PETER HANDKE

Deutsches Literaturarchiv Marbach – 16.-17. Februar 2012 – Tagungsraum 2/3
1. Forschungstreffen Suhrkamp/Insel

PROGRAMM

Donnerstag, 16. Februar 2012

14.00 Uhr
Ulrich Raulff, Marbach
Begrüßung und thematische Einführung

14.15 Uhr
Hubert Burda, München
Grußwort


Sektion 1: Literarische Positionen

14.30 Uhr
Hans Hoeller, Salzburg
Die Idee einer neuen Klassik: Peter Handke und die Literatur nach 1945

15.30 Uhr
Kaffeepause

16.00 Uhr
Katharina Pektor, Wien
„Schuetteln am Phantom Gottes“ – Handkes Wiederholung von Wolframs Parzival

16.45 Uhr
Ulrich von Buelow, Marbach
Peter Handke und Martin Heidegger

17:30 Uhr
Juergen Brokoff, Bonn
Peter Handkes Jugoslawien-Texte im Spannungsfeld von Poesie, Politik und Medien

18.30 Uhr
Abendessen

20.00 Uhr
Podiumsgespraech
Moderation: Jan Buerger, Marbach


Freitag, 17. Februar 2012

Sektion 2: Orte des Erzählens

09.00 Uhr
Christoph Bartmann, New York
Handkes Aesthetik

09:45 Uhr
Malte Herwig, Hamburg
Frischfleisch und Archiv: Die Biographie am lebendigen Leib

10.30 Uhr
Kaffeepause

11.00 Uhr
Tanja Kunz, Berlin
Volo ut sis – Konnotationen des Anderen im Werk Peter Handkes

11.45 Uhr
Christian Luckscheiter, Berlin
Der Ursprung der Erzählung aus der Faszination für den Ort

12.30 Uhr
Lunch


Sektion 3: Rekonstruktionen im Archiv

14.00 Uhr
Raimund Fellinger, Berlin
Handkes Briefgespraech mit seinem Verleger Siegfried Unseld

14.45 Uhr
Christoph Kepplinger / Katharina Pektor, Wien
Das Peter Handke-Forschungsprojekt an der Österreichischen Nationalbibliothek

15.30 Uhr
Kaffeepause

16.00 Uhr
Nils Kasper, Graz
Schreiben. Kartieren. Handkes poetologischer Topos der Leere

17.00 Uhr Ende der Tagung


Unterstützt durch Hubert Burda.


Kontakt
Dr. Marcel Lepper – Leiter des Forschungsreferats – Leiter der Arbeitsstelle Geschichte der Germanistik, Deutsches Literaturarchiv Marbach – E-Mail: lepper@dla-marbach.de
Sekretariat: Birgit Wollgarten – Tel.: 07144 - 848 - 175 – Fax.: 07144 - 848 - 191 – E-Mail: wollg@dla-marbach.de
Konzept: Anna Kinder – Forschungskoordination Suhrkamp – Tel. : 07144 - 848 - 502 – E-Mail : anna.kinder@dla-marbach.de

DLA Marbach, Schillerhoehe 8 - 10, 71672 Marbach am Neckar
Quelle der BeschreibungInformation des Anbieters
Internetadressehttp://h-net.msu.edu/cgi-bin/logbrowse.pl?trx=vx&list=H-Germanistik&mo...
VeranstaltungsortMarbach
Beginn16.02.2012
Ende17.02.2012
PersonName: Anna Kinder
Funktion: Forschungskoordination Suhrkamp
E-Mail: anna.kinder@dla-marbach.de 
KontaktdatenName/Institution: Deutsches Literaturarchiv Marbach
Strasse/Postfach: Schillerhoehe 8-10
Postleitzahl: 71672
Stadt: Marbach am Neckar
Telefon: 07144 - 848 -175
Fax: 07144 - 848 - 191
E-Mail: wollg@dla-marbach.de
Internetadresse: www.dla-marbach.de
 
LandDeutschland
SchlüsselbegriffeLiteraturwissenschaftLiteratur nach 1945
Zusätzliches SuchwortPeter Handke
Klassifikation01.00.00 Allgemeine deutsche Sprach- und Literaturwissenschaft01.00.00 Allgemeine deutsche Sprach- und Literaturwissenschaft > 01.03.00 Germanistik01.00.00 Allgemeine deutsche Sprach- und Literaturwissenschaft > 01.05.00 Germanistenverbände und –tagungen
Ediert vonH-Germanistik
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MICHAEL ROLOFF
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Visiting Scholar Univerity of Washington, a.D.
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[and sub-blogs, handke-scholar, handke-yugo, handke-discussion; handke-watch; handke-reviews]

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 "Degustibus disputandum est." Theodor Wiesenthal Adorno
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 "May the foggy dew bediamondize your hoosprings + the fireplug of filiality
reinsure your bunghole! {James  Joyce}
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"Sryde Lyde Myde Vorworde Vorhorde Vorborde." [von Alvensleben]
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"Siena me fe, disfescimi Maremma." [Dante]
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"Ennui [Lange Weile] is the dreambird that hatches the egg of experience."
> Walter Benjamin, the essay on Leskov.

"mais une marée de merde en bat les murs, à la faire crouler." Gustav Flaubert

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 "Chicquita abracas a todos"


Friday, September 23, 2011

ANOTHER HANDKE PRIZE CONTROVERSY

HANDKE CANDIDE PREIS



The situation is rather simple, a literary club in the 
provincial town of Minden has been awarding the "Candide Prize" for some years, in honor of Voltaire, who I don't think is one of Handke's favorite 18th century authors. This year all the prize money - 15 K Euros - was to be 
provided by a manufacturer of binding machines for the 
books, KOLBUS. However, the managing director, a felow by te name of Büntemeyer objected to Handke on the grounds that associating with someone
that notorious who  had had truck with Milosevics might hurt his business in the 
U.S. OF ASSES! Alas, every paper is carrying the story and it is spreading heree too,
http://lovegermanbooks.blogspot.com/2011/09/handke-doesnt-get-prize-again.html
i left below comment, in German, at DIE ZEIT and at the FAZ. Handke and his publishers must be 
delighted at all the free publicity. I am betting that the provincia ass, Buentemeyer will lose his job!



  Man sollte sich bei Herrn Büntemeyer bedanken,
und da dieser Hinterwaeldler wohl gefeuert werden wird, ihm 10% des extra Verkaufs des von seinem Eklat
Eingebrachten gönnen! Ich erinnere mich seiner Bindemaschinen in Bulgarien, da kriegte
eine alter Frau dann Arbeit um dem schlecht gebundenen Fahnenstoss noch einen Klabs zu geben auf dem Weg zur Verklappung!
Das Geld braucht Handke wohl kaum, aber "Candide" mit der wuerd ich auch gern mal eine Nacht verbringen und im milden Minden! Handke vergibt die meisten Preisgelder an andere die es nötiger haben.
Und den Heine Preis der damals durchgefallen ist war doch nur von Nöten da Handke das Geld brauchte um die Übersetzers seines großartigen Roman DEL GREDOS zu einem Kletterwochenende mit den Gemsböcken einen Preis. Und den Heine Preis der damals durchgefallen ist war doch nur von noeten da Handke das Geld brauchte um die Übersetzers seines großartigen Roman DEL GREDOS zu einem Kletterwochenende mit den Gemsböcken in den Bergen dort einzuladen, und die Siegried Löffler war ja sehr behilflich. Das führte dann zu dem Peymann Berliner Heine Preis die dann einer Gemeinde im Kosovo gestiftet wurde, viel Photographen dabei! Nur die kleinen Preise will Handke angeblich jetzt noch annehmen. Was kann man ihm eigentlich noch geben? Endlich den verdienten Nobel damit dieser Rummel endlich aufhört http://www.handke-nobel.s...
aber Handke's verwundete Eitelkeit - nicht einmal ein Kuss von Gott würde ihn heilen noch befriedigen.

Saturday, August 6, 2011

HANDKE ABOUT HIS NEW PLAY 'immer noch sturm'


 
 

Peter Handke über sein neues Stück, Salzburg, das Weggehen und seine Einschätzung zu Thomas Bernhard.
Foto © APA
Herr Handke, am 12. August wird bei den Salzburger Festspielen Ihr Stück "Immer noch Sturm" uraufgeführt. Werden Sie da sein?
PETER HANDKE: Ich werde eine Probe besuchen.
Nur die Probe?
HANDKE: Wer weiß.
Wovon hängt es ab?
HANDKE: Ob ich mich dem stellen kann, was ich getan, was ich geschrieben habe. Das Stück ist nicht nur mein intimstes, es ist auch extrem universell. Es geht nicht nur mich was an, es ist weit mehr als ein Kärntner Stück, ein Partisanenstück. Es geht darum, was Widerstand ist und was Familie. Was ist Widerstand innerhalb der Familie, was Religion, was Landschaft? Da hätte ich mir gewünscht, dass einmal noch in dieser Weltgeschichte Theater etwas bedeutet.
Tut es das nicht mehr?
HANDKE: Heutzutage gibt es so viele Ereignisse. Aber es gab eine Zeit, da haben Theaterstücke im Feuerwerk des kulturellen Lebens noch etwas gegolten. Das war die große Zeit von Eugene O'Neill oder Tennessee Williams. Aber vielleicht erzählt der Regisseur Dimiter Gotscheff "Immer noch Sturm" ja so, dass wir uns alle freuen können. Dass wir berührt sind. Dann würde ich schon hingehen.
Wie ist es, in die Stadt zurückzukehren, in der Sie so lange sesshaft waren?
HANDKE: Ich bin gern in Salzburg, aber nicht, wenn gerade ein Stück von mir aufgeführt wird. Ich mag die Stadt und ich mag die Landschaft: Maria Plain, Itzling, aber auch die Container-Bahnhöfe. Man muss an die Peripherie gehen. Ich habe Salzburg erst dadurch lieben gelernt, dass ich zur Stadt hinausgewandert bin.
Gewohnt haben Sie aber mittendrinnen.
HANDKE: Auf dem Mönchsberg. Ein seltsames Mittendrinnen. Eine Art Inselberg. Das war für mich ein gewaltiger Entschluss damals.
Warum gewaltig?
HANDKE: Man ist in Salzburg magnetisiert von der Mitte, das ist nicht immer gut. Als ich vor vielen Jahren nach Österreich zurückkam, da habe ich mich als jemand erlebt, der gescheitert ist. Nach Hause zu kommen ist das Eingeständnis einer Niederlage, habe ich mir gedacht. Und in der Schizophrenie dessen, der sich für gescheitert hält, habe ich mich auch angefeindet gefühlt. Ich habe die Blicke der Leute als böse Blicke erlebt. Nicht nur in der Getreidegasse. Dabei muss man auch mit den eigenen Blicken Frieden erzeugen. Das ist das Geheimnis, und das habe ich nicht beherrscht im Anfang. Das kann man nie beherrschen. Nur ab und zu, da gelingt es einem.
Das Barocke, das Katholische an der Stadt, mögen Sie es?
HANDKE: Ich mag das Romanische, die versteckten romanischen Winkel von Salzburg. Die Erzabtei Sankt Peter. Aber auch die Franziskanerkirche hat ein romanisches Tympanon. Und die Fresken im Kloster am Nonnberg, auf denen der heilige Augustinus dargestellt ist auf eine freche und zugleich fromme Weise, wie halt die Romanik ist. Frechheit und Frömmigkeit schließen sich nicht aus. Das habe ich am Nonnberg entdeckt. Da musste man dann hinpilgern. Oft ist Santiago de Compostela am eigenen Ort genauso zu fassen, als wenn man nach Galizien geht.
Was mögen Sie noch an Salzburg?
HANDKE: Einmal, da bin ich am Mönchsberg gesessen. Es war Nacht und der berühmte Regen von Salzburg ist ganz still meilenweit auf die Blechdächer der Stadt gefallen. Das Geräusch hat mir gut gefallen. Das gibt es nur in Salzburg. Ihr in Graz oder Klagenfurt habt da ganz andere Dächer, ihr habt Ziegeldächer. Das klingt ganz anders. Das ist ein ganz anderes Regengeräusch.
Machen die Festspiele die Stadt größer oder entstellen sie sie?
HANDKE: Beides. Ich bin froh, wenn ich keine Festspiele sehe.
War das schon immer so?
HANDKE: Ich bin nie gern hingegangen. Zugleich habe ich es manchmal doch gern gesehen, wenn Leute schön gekleidet da irgendwo hinziehen, um Haydn, Mozart oder Schubert zu hören.
Und die Maskerade, das Pfauenhafte?
HANDKE: Was soll's. So ist der Mensch halt. Da bin ich milde.
Man sagt, Salzburg sei nur mehr was für die Geldsäcke
HANDKE: Das war immer so. Die Salzburger "Fetzenspiele" hat schon Ernst Jandl gesagt: Aber zugleich ist da noch immer der platonische Schatten der Idee von Hofmannsthal und Reinhardt lebendig. 1982 wurde in Salzburg mein Stück "Über die Dörfer" aufgeführt. Breites episches Theater. Man erzählt das Land, man erzählt Dorfmenschen, man erzählt das Verschwinden eines Dorfes. Man ließ sich Zeit. Man erzählte. Und während des Erzählens ging das Dach der Felsenreitschule auf und über die Stunden fielen langsam die Herbstblätter herein. Das war schön.
Was hat Ihnen die Stadt zurückgegeben?
HANDKE: Ich habe viele verlorene Menschen kennengelernt, auch nur im Vorbeigehen, die mir irgendeinen Blick gegeben haben, der freundlich war. Das genügt mir. Mit dem Salzburger Bürgertum habe ich nie etwas im Sinn gehabt.
Warum?
HANDKE: Das Bürgertum ist das große Problem der Kultur. Das ist und wird immer so bleiben.
Salzburg hat immer große Künstler angezogen: Trakl, Zweig, Toscanini, Karajan, Brecht, Bernhard.
HANDKE: Der große Dichter ist für mich Georg Trakl, Bernhard ist für mich nicht der große Dichter. Er ist ein begnadeter Vereinfacher. Sand. Thomas Bernhard ist Sand.
Wieso Sand?
HANDKE: Mit Sand kann man Häuser bauen, wenn man ihn zu Zement mischt. Nur mit Thomas Bernhard kann man nichts bauen. Der ist Sand. Unnützer. Treibsand. Tut mir leid, dass ich das sage. Nein. Es tut mir eigentlich nicht leid.
Es gab aber eine Zeit, da mochten Sie Bernhard sehr. Was ist passiert?
HANDKE: Der als Jesuitenschüler verschriene Schriftsteller Wolfgang Kraus - kennt ihn jemand noch? - hat einmal über Thomas Bernhard gesagt: Der hat seine Seele verkauft und kann jetzt alles schreiben.
Sie sind dann weg aus Salzburg. Warum eigentlich?
HANDKE: Weil ich mich kleinlich werden gespürt habe und so polemisch und unwillig. Außerdem ist es die Natur der Dinge. Irgendeinmal muss man weg. Das hat auch physikalische Gründe.
Welche denn?
HANDKE: Na Hieb, Stoß, Gegenstoß. Auf diese Weise entstehen nicht nur Kriege, so entsteht alles. Lassen Sie sich das von mir als Experten für Psychophysik sagen: Man ist an einem Ort und plötzlich gibt es eine Antienergie, eine Antiphysik. Da braucht es keine großen metaphysischen Gründe. Da geht man dann weg. So einfach ist das.

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