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Saturday, August 6, 2011

HANDKE ABOUT HIS NEW PLAY 'immer noch sturm'


 
 

Peter Handke über sein neues Stück, Salzburg, das Weggehen und seine Einschätzung zu Thomas Bernhard.
Foto © APA
Herr Handke, am 12. August wird bei den Salzburger Festspielen Ihr Stück "Immer noch Sturm" uraufgeführt. Werden Sie da sein?
PETER HANDKE: Ich werde eine Probe besuchen.
Nur die Probe?
HANDKE: Wer weiß.
Wovon hängt es ab?
HANDKE: Ob ich mich dem stellen kann, was ich getan, was ich geschrieben habe. Das Stück ist nicht nur mein intimstes, es ist auch extrem universell. Es geht nicht nur mich was an, es ist weit mehr als ein Kärntner Stück, ein Partisanenstück. Es geht darum, was Widerstand ist und was Familie. Was ist Widerstand innerhalb der Familie, was Religion, was Landschaft? Da hätte ich mir gewünscht, dass einmal noch in dieser Weltgeschichte Theater etwas bedeutet.
Tut es das nicht mehr?
HANDKE: Heutzutage gibt es so viele Ereignisse. Aber es gab eine Zeit, da haben Theaterstücke im Feuerwerk des kulturellen Lebens noch etwas gegolten. Das war die große Zeit von Eugene O'Neill oder Tennessee Williams. Aber vielleicht erzählt der Regisseur Dimiter Gotscheff "Immer noch Sturm" ja so, dass wir uns alle freuen können. Dass wir berührt sind. Dann würde ich schon hingehen.
Wie ist es, in die Stadt zurückzukehren, in der Sie so lange sesshaft waren?
HANDKE: Ich bin gern in Salzburg, aber nicht, wenn gerade ein Stück von mir aufgeführt wird. Ich mag die Stadt und ich mag die Landschaft: Maria Plain, Itzling, aber auch die Container-Bahnhöfe. Man muss an die Peripherie gehen. Ich habe Salzburg erst dadurch lieben gelernt, dass ich zur Stadt hinausgewandert bin.
Gewohnt haben Sie aber mittendrinnen.
HANDKE: Auf dem Mönchsberg. Ein seltsames Mittendrinnen. Eine Art Inselberg. Das war für mich ein gewaltiger Entschluss damals.
Warum gewaltig?
HANDKE: Man ist in Salzburg magnetisiert von der Mitte, das ist nicht immer gut. Als ich vor vielen Jahren nach Österreich zurückkam, da habe ich mich als jemand erlebt, der gescheitert ist. Nach Hause zu kommen ist das Eingeständnis einer Niederlage, habe ich mir gedacht. Und in der Schizophrenie dessen, der sich für gescheitert hält, habe ich mich auch angefeindet gefühlt. Ich habe die Blicke der Leute als böse Blicke erlebt. Nicht nur in der Getreidegasse. Dabei muss man auch mit den eigenen Blicken Frieden erzeugen. Das ist das Geheimnis, und das habe ich nicht beherrscht im Anfang. Das kann man nie beherrschen. Nur ab und zu, da gelingt es einem.
Das Barocke, das Katholische an der Stadt, mögen Sie es?
HANDKE: Ich mag das Romanische, die versteckten romanischen Winkel von Salzburg. Die Erzabtei Sankt Peter. Aber auch die Franziskanerkirche hat ein romanisches Tympanon. Und die Fresken im Kloster am Nonnberg, auf denen der heilige Augustinus dargestellt ist auf eine freche und zugleich fromme Weise, wie halt die Romanik ist. Frechheit und Frömmigkeit schließen sich nicht aus. Das habe ich am Nonnberg entdeckt. Da musste man dann hinpilgern. Oft ist Santiago de Compostela am eigenen Ort genauso zu fassen, als wenn man nach Galizien geht.
Was mögen Sie noch an Salzburg?
HANDKE: Einmal, da bin ich am Mönchsberg gesessen. Es war Nacht und der berühmte Regen von Salzburg ist ganz still meilenweit auf die Blechdächer der Stadt gefallen. Das Geräusch hat mir gut gefallen. Das gibt es nur in Salzburg. Ihr in Graz oder Klagenfurt habt da ganz andere Dächer, ihr habt Ziegeldächer. Das klingt ganz anders. Das ist ein ganz anderes Regengeräusch.
Machen die Festspiele die Stadt größer oder entstellen sie sie?
HANDKE: Beides. Ich bin froh, wenn ich keine Festspiele sehe.
War das schon immer so?
HANDKE: Ich bin nie gern hingegangen. Zugleich habe ich es manchmal doch gern gesehen, wenn Leute schön gekleidet da irgendwo hinziehen, um Haydn, Mozart oder Schubert zu hören.
Und die Maskerade, das Pfauenhafte?
HANDKE: Was soll's. So ist der Mensch halt. Da bin ich milde.
Man sagt, Salzburg sei nur mehr was für die Geldsäcke
HANDKE: Das war immer so. Die Salzburger "Fetzenspiele" hat schon Ernst Jandl gesagt: Aber zugleich ist da noch immer der platonische Schatten der Idee von Hofmannsthal und Reinhardt lebendig. 1982 wurde in Salzburg mein Stück "Über die Dörfer" aufgeführt. Breites episches Theater. Man erzählt das Land, man erzählt Dorfmenschen, man erzählt das Verschwinden eines Dorfes. Man ließ sich Zeit. Man erzählte. Und während des Erzählens ging das Dach der Felsenreitschule auf und über die Stunden fielen langsam die Herbstblätter herein. Das war schön.
Was hat Ihnen die Stadt zurückgegeben?
HANDKE: Ich habe viele verlorene Menschen kennengelernt, auch nur im Vorbeigehen, die mir irgendeinen Blick gegeben haben, der freundlich war. Das genügt mir. Mit dem Salzburger Bürgertum habe ich nie etwas im Sinn gehabt.
Warum?
HANDKE: Das Bürgertum ist das große Problem der Kultur. Das ist und wird immer so bleiben.
Salzburg hat immer große Künstler angezogen: Trakl, Zweig, Toscanini, Karajan, Brecht, Bernhard.
HANDKE: Der große Dichter ist für mich Georg Trakl, Bernhard ist für mich nicht der große Dichter. Er ist ein begnadeter Vereinfacher. Sand. Thomas Bernhard ist Sand.
Wieso Sand?
HANDKE: Mit Sand kann man Häuser bauen, wenn man ihn zu Zement mischt. Nur mit Thomas Bernhard kann man nichts bauen. Der ist Sand. Unnützer. Treibsand. Tut mir leid, dass ich das sage. Nein. Es tut mir eigentlich nicht leid.
Es gab aber eine Zeit, da mochten Sie Bernhard sehr. Was ist passiert?
HANDKE: Der als Jesuitenschüler verschriene Schriftsteller Wolfgang Kraus - kennt ihn jemand noch? - hat einmal über Thomas Bernhard gesagt: Der hat seine Seele verkauft und kann jetzt alles schreiben.
Sie sind dann weg aus Salzburg. Warum eigentlich?
HANDKE: Weil ich mich kleinlich werden gespürt habe und so polemisch und unwillig. Außerdem ist es die Natur der Dinge. Irgendeinmal muss man weg. Das hat auch physikalische Gründe.
Welche denn?
HANDKE: Na Hieb, Stoß, Gegenstoß. Auf diese Weise entstehen nicht nur Kriege, so entsteht alles. Lassen Sie sich das von mir als Experten für Psychophysik sagen: Man ist an einem Ort und plötzlich gibt es eine Antienergie, eine Antiphysik. Da braucht es keine großen metaphysischen Gründe. Da geht man dann weg. So einfach ist das.

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