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Tuesday, May 8, 2012

HANDKE / BONDY ZEIT INTERVIEW MAY 2012

PAGE ONE OF SIX ONLY
http://www.zeit.de/2012/19/Gespraech-Handke-Bondy/seite-1

Handke: Darf man das nicht sagen? Bondy: Nein!

Unter Freunden: Ein Gespräch mit dem Schriftsteller Peter Handke und dem Regisseur Luc Bondy über das Lachen, das Hochstapeln – und über die Lyrik des Günter Grass.
Peter Handke
Peter Handke
DIE ZEIT: Herr Handke, Herr Bondy, Sie gelten beide als schwermütige Menschen. Ist das die Wahrheit?
Peter Handke: Ich bin leider kein richtig schwermütiger Mensch. Wenn ich einmal schwermütig bin, wünsche ich mir, dass es länger so bliebe. Ich denke mir dann immer, das ist es jetzt, das ist jetzt die Existenz, der richtige Zustand. Den musst du jetzt behalten, das ist die Bedingung. Und zwei Stunden später habe ich es schon wieder vergessen. Ich kann sie nicht behalten, die Schwermut. Irgendetwas schnippt oder flippt mich dann wieder hinaus.
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Luc Bondy: Mir gelingt das auch nicht. Ich unterscheide zwischen zwei Arten von Schwermut: Es gibt Stücke und Musiken, die einen anstecken mit ihrer Schwermut. Das ist eine heilende Schwermut, die meine eigene lindert. Schwermütig bin ich jeden Tag, jeden Morgen, jeden Nachmittag, jede Nacht, das ist auch verständlich…
PETER HANDKE
wurde am 6. Dezember 1942 in Griffen (Kärnten) geboren. Er ist einer der bedeutendsten Erzähler deutscher Sprache. Bei den Wiener Festwochen wird am 15. Mai sein neues Schauspiel »Die schönen Tage von Aranjuez« uraufgeführt – der erotische Dialog zwischen einer Frau und einem Mann. Es inszeniert Peter Handkes Freund und Weggefährte Luc Bondy
ZEIT: Sie waren mehrmals dem Tod nahe.
Bondy: Das Komische war, in den Momenten, wo ich dem Tod nah war, war ich seltsamerweise sehr heiter.
Handke: Du warst die Geistesgegenwart in Person, wenn du daniederlagst. Ich habe niemanden erlebt, der so aufmerksam war für andere, für das Licht, für die Besucher, wie den Luc Bondy, wenn man zu ihm ins Krankenzimmer trat.
Bondy: Wir kennen uns sehr lange, und über die Jahre, oder wie es bei Peter Handke immer heißt, während der Epochen meiner Krankheit, war er mir sehr nah, das hat mir geholfen, aber wenn ich jetzt auch darüber lache, waren es doch sehr schwere Wochen. Aber ich habe gern gelacht dabei, und es ist jetzt nicht mehr so wichtig. Für mich ist es die einzige Art zu überleben, dass ich die Krankheit gar nicht als so wichtig sehe.
ZEIT: Alec Guinness hat einmal gesagt, er sei sich immer wie ein Hochstapler vorgekommen, er war ein Leben lang ein Kind, das einen Erwachsenen gespielt hat, und er war überzeugt davon, dass seine Umgebung ihm draufkommt und ihn im nächsten Moment auffliegen lässt. Ist von diesem Lebensgefühl etwas in Ihnen?
Handke: Ja…, das geht mir sehr nahe.
Bondy: Mir auch.
Handke: Wobei ich nicht denke, dass man mich damit auffliegen ließe. Mich würde man endlich entdecken. Ich habe das erst gestern gedacht, deshalb ist der Satz für mich noch ganz frisch: Die beste Entwicklung, die ein Mensch nehmen kann, ist, dass er das Kind bleibt, das er ist. Schaut euch all diese scheußlichen entwickelten Gestalten an, mit denen nichts mehr los ist.
Bondy: Das kann ich von mir genauso sagen…
Handke: Es gibt einen Spruch von einem Vorsokratiker, den könnte ich sogar auf Griechisch sagen, aber ich will nicht, dass es dann wie eine Angeberei à la Sloterdijk dasteht. Also, der Satz lautet: Der nicht leidende Mensch bleibt nicht Kind. Das wird allgemein immer so übersetzt: Der Mensch, der nicht leidet, wird nicht erzogen. Ich übersetz es mir so: Der nicht leidende Mensch bleibt nicht Kind. Alec Guinness hat schon recht: Man ist eigentlich ein Fälscher. Man spielt den Macher, den Erwachsenen, den Schriftsteller, die öffentliche Person…
Bondy: Man muss schon selber drauf kommen auf diese Erkenntnis. Das glaube ich. Wenn man nicht selber drauf kommt, dass man ein Hochstapler ist, dann ist man in der Falle.
Handke: So ein Hochstapeln, wie es Guinness beschreibt, ist nicht nur erlaubt, sondern nötig.
Bondy: Es gibt einem die Chance zum Spiel.
ZEIT: Eine Frage zur Hochstapelei und zum Versuch, den Erwachsenen zu spielen. Wie erklären Sie beide sich die Hoodie-Mode unter jungen Männern, also die jungen Kapuzen-Männer, die überall durch die Städte laufen? Selbst in kleinen deutschen harmlosen Städten sieht man praktisch überall Kapuzen-Gangster.
Bondy: Die imitieren sich gegenseitig.
Handke: Das können ja trotzdem Kinder sein. Eminem hat damit angefangen.
Bondy: …mein Sohn auch...
Handke: Und Eminem, der ist ja nun das Kind schlechthin. Man darf die nicht niedermachen. Es ist wahrscheinlich eine Verlorenheit, die sich da zeigt. Man muss die entdecken. Aber wie entdeckt man die? Wie kommt man an die ran? Das weiß ich auch nicht, ich bin kein Pastor. Luc vielleicht eher...
Bondy: Nein, nein. Wir, meine Frau und ich, sind mal in Belleville angegriffen worden, physisch vor der Tür von so Kapuzenmenschen, und da habe ich eine Zeit lang gedacht, jeder Kapuzenmensch würde mich angreifen, aber mittlerweile ist mein Sohn auch ein Kapuzenmensch. Seitdem sehe ich das anders. Ich kenne das auch, dass man sich in der Kleidung verbirgt. Man will beschützt werden.
Handke: Manchmal haben die Kapuzenmänner ganz zarte Gesichter; man muss nur die Profillinien sehen und ist total besänftigt...

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